Mut zur Dunkelheit – was ein “Dark Sky Park” mit Lebensqualität zu tun hat

Wenn der Naturpark Gantrisch in der Nacht zum Sternenpark wird, zwinkern uns die funkelnden Sterne zu. Die Nachtlandschaft zieht ihren dunklen schützenden Mantel über die Region. Die Dunkelheit zuzulassen braucht Mut. Doch die Lebensqualität, die wir damit gewinnen ist unbezahlbar.

Titelbild: Astro Events

«Papa, wenn wir Angst im Dunkeln haben, haben dann Fledermäuse eigentlich Angst im Hellen?». Eine Frage, welche die Kinder nach der Nachtexkursion im Naturpark beschäftigt, kann ihr Vater nicht beantworten. Er kann sich aber noch an die Worte der Exkursionsleiterin erinnern: «Zwergfledermäuse haben keine Scheu vor Licht kreisen deshalb immer um die Strassenlampen.». Sein Blick wandert zur Leuchtreklame am Laden gegenüber. Seine Kinder haben heute Abend im Sternenpark Gantrisch zum ersten Mal die Milchstrasse bestaunt.

Infografik zu Sichtbarkeit von Sternen.
Am Gurnigel kann der Sternenhimmel in seiner vollen Pracht bestaunt werden

Führungen in der dunklen Zone des Naturparks Gantrisch, der «Gantrisch Dark Sky Zone» (siehe Box), gibt es schon seit einigen Jahren. Sie sind eine von drei Voraussetzungen, ein Gebiet als «Dark Sky Park» zu zertifizieren. Zudem muss mit Messungen der Beweis erbracht werden, dass in diesem Gebiet eine fast komplette Nachtdunkelheit herrscht. Und der Nachthimmel muss mit tausenden von Sternen erlebbar sein. Im Naturpark Gantrisch leben gut 20 der 30 Schweizer Fledermausarten, dämmerungsaktive Birkhühner, nachaktive Moorfalter und nachtduftende Holundersträucher. Ausserdem ist der Gurnigelpass ein wichtiger und lichtloser Flaschenhals für den Vogelzug. Der ideale Ort für einen biodiversen Sternenpark.


Lichtverschmutzung: Ein Problem, das wir nicht sehen

Dennoch nimmt die Lichtverschmutzung jährlich um mehr als 6 Prozent zu. Der letzte natürliche dunkle Quadratkilometer in der Schweiz ist bereits 2008 verschwunden. Bevor das Problem der Lichtverschmutzung behoben werden kann, muss es überhaupt erst sichtbar werden. Da nachts die meisten von uns schlafen, ist vielen Menschen der enorme Wert von Dunkelkammern wie dem Naturpark Gantrisch nicht bewusst. Nachts ist die Hälfte der Blütenbestäuber unterwegs, Tümpel und Seen werden durch Mikroorganismen gereinigt und tausende von Zugvögeln fliegen in der Dunkelheit.

Infografik zu Melatoninschwelle
Die Melatoninschwelle von Tieren ist tiefer, als die von Menschen

Der Lebensraum von nachtaktiven Tieren wird durch Lichtbarrieren zerschnitten. Ihr Aktionsradius wird eingeschränkt und das Nahrungsangebot reduziert. Das nächtliche Kunstlicht trägt einen wesentlichen Teil zum Insektensterben bei. Zugvögel werden durch starke Lichtquellen in ihrer Orientierung gestört. Auch wir Menschen werden von nächtlichem Licht negativ beeinflusst. Es kann unter anderem Schlafstörungen, Wachstumsstörungen oder Krebserkrankungen verursachen. Im Gegensatz dazu hilft uns die Dunkelheit, um das Schlafhormon Melatonin zu produzieren, welches uns zu einem guten Schlaft verhilft.

Regeln für die nächtliche Beleuchtung

Was die Beleuchtung betrifft, ist der nächtliche Aussenraum kein rechts- und normfreier Raum. Die Gemeinden haben mit Bau- und Polizei-Reglementen die Hoheit über einen grossen Teil der Lichtemissionen in der Nacht. Mittlerweile gibt es Einschränkungen für Reklame- wie auch Weihnachts- und andere Zierbeleuchtungen, gewerbliche Infodisplays und mehr. Es gibt Normen, welche die unnötige Erhellung der Umgebung, beispielsweise durch Kugellampen und Fassadenbeleuchtungen, verbieten. Wo immer möglich, müssen die Emissionen vom Verursacher gemindert werden. So steht es im Gesetz. In städtischen Zentren haben Bewohnende oft keine Chance das Sternenlicht zu sehen. Das Kunstlicht ist so stark, dass sich kein einzelner Verursacher finden lässt. Hier hilft nur ein städtisches Konzept, ein sogenannter Plan Lumière, der besonders sensiblen Wohn- und Naturzonen ein gesundes Mass an Nacht zugesteht.

Die Milchstrasse
Gantrischkette im Gurnigel (C) Nicolas Soldati
Der Sternenhimmel vom Naturpark Gantrisch aus
Observatorium Zimmerwald (C) Benjamin Barakat

Der «Dark Sky Park» soll ein nachhaltiger Erlebnisort sein. Ein dunkler Ort für alle, die wieder einmal im Sternenlicht baden möchten. Der Vater der beiden Kinder im Dorf geht nun schlafen. Er will am nächsten Morgen mit den Argumenten aus der Exkursion bei der Firma gegenüber vorbeigehen. Währenddem er sich überlegt, was er dem Chef sagen könnte, schläft er ein. Es wird hoffentlich gut gehen. Der Chef mag nämlich Fledermäuse.

Nicole Dahinden, Leiterin Bildung, Sensibilisierung, Forschung

«Dark Sky Herbst Gantrisch»

Erlebe den Naturpark bei Nacht Während des «Dark Sky Herbsts 2024» wird der Naturpark zum Sternenpark Gantrisch. Auf Exkursionen, an Vorträgen, bei der Sternenbeobachtung, im Observatorium sowie bei vielen anderen Angeboten feiert die Region Gantrisch die Nacht. Auf den folgenden Seiten der Gantrisch Zeitung sowie auf den Social Media Kanälen des Gantrisch lernen die Leser:innen mehr über die Lichtverschmutzung, den Wert der Nacht und weshalb es sich lohnt, die Nachtdunkelheit zu schützen. Sei auch du ein Teil vom Dark Sky Herbst: Schalte deine Beleuchtung aus, komm mit auf eine Exkursion und nimm an der Nacht der Sterne teil.

Aktuelles aus dem Naturpark

An unserer Herbst-Mitgliederversammlung vom 6. November 2024 lancierten wir das Programm für die nächste Vierjahresperiode (2025 – 2028). Die Finanzierung ist sichergestellt dank Zusagen von Kantonen und Bund sowie Partnerschaften. Ausserdem wird die Bank Gantrisch zur neuen Hauptpartnerin des Naturparks.
Möchtest du während des ganzen Jahres ein Stückchen Naturpark Gantrisch bei dir zu Hause haben? Dann ist der Gantrisch Jahreskalender das Richtige für dich.
Prof. Christian Cajochen beschäftigt sich mit den Auswirkungen von Licht auf unsere Gesundheit. Im Interview mit dem Naturpark erklärt er, wie wichtig unsere «innere Uhr» ist und was diese beeinflusst. Zudem erklärt er, welchen Einfluss das Licht auf unseren Schlaf hat.
Jeden Monat einmal treffen sich die Gantrisch Junior Rangerinnen und Ranger und packen gemeinsam an: Sie pflegen Hecken, reinigen Nistkästen und schwenten Alpweiden. Sie lernen während der praktischen Arbeit Zusammenhänge in der Natur kennen und haben Zeit zum Staunen, Beobachten und Diskutieren.