Die Vermarktung und Logistik regionaler Produkte ist oft schwierig – besonders im ländlichen Raum. Wie können kleine Betriebe bestehen, wenn sie nicht über Grossverteiler verkaufen? Und wie gelingt eine starke, regionale Kreislaufwirtschaft? Diesen Fragen widmete sich das Projekt «Innovative Güterlogistik im ländlichen Raum» vom Naturpark Gantrisch. Auf einer zweitägigen Studienreise im März 2025 wurden zwei spannende Praxisbeispiele vor Ort besucht – mit wertvollen Beispielen für die Zukunft.
Bereits auf der vierstündigen Busfahrt von Bern zur Odenwald-Regional-Gesellschaft nutzten die Teilnehmenden die Zeit für einen regen Austausch. Eine Vorstellungsrunde zeigte die Vielfalt der Gruppe: Mit dabei waren Personen aus Start-ups, kleinen Kooperationen, Gemeinden, der Regionalentwicklung, dem Tourismus, aus Forschung, Beratung – sowie eine Vertreterin eines Bundesamts.
Garantiert geliefert

Am ersten Tag stellten Anja Sylvester und René Karg das Projekt «Garantiert geliefert» vor. Dazu wurden zwei praktische Umsetzungsbeispiele gezeigt.
Feld zu Tisch

Am zweiten Tag präsentierte Christoph Schön das Projekt «Feld zu Tisch». Er erklärte, wie aus einer Idee ein funktionierendes Vermarktungs- und Logistiknetzwerk wurde.
Projekt «Garantiert geliefert» – Logistik auf neuen Wegen
«Garantiert geliefert» ist eine innovative, KI-gestützte Logistik-Plattform im Odenwaldkreis (D). Ziel des Projekts ist es, durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz den Warentransport einfacher und effizienter zu machen. Die Plattform baut auf dem Projekt CargoSurfer der LaLoG Landlogistik GmbH auf.
Die hessische Digitalministerin Kristina Sinemus beschreibt das Vorhaben so:
«Das Projekt ist eine absolute Win-Win-Situation. Zum einen können regionale Unternehmen ihre Produkte relativ einfach online vermarkten. Zum anderen werden Leerfahrten verringert oder Fahrten besser ausgelastet. Und drittens profitieren auch die Kundinnen und Kunden von einem verbesserten Angebot.»
Erstes Praxisbeispiel: Die Odenwälder Caféstube
Das erste Praxisbeispiel von «Garantiert geliefert» führte die Gruppe in das Dorf Würzberg. Das langgezogene Dorf verfügt – abgesehen von der Odenwälder Caféstube – über keine Nahversorgung mehr. Für Einkäufe müssen die Bewohner:innen 10 bis 15 Minuten mit dem Bus oder Auto fahren.
Neu soll die Caféstube Teil von «Garantiert geliefert» werden und als sogenannter Microhub dienen. Konditormeister Marc Walther erklärte, wie in seinem Betrieb Güter in verschiedenen Kühlstufen zwischengelagert werden können. Das stärkt die Nahversorgung und vereinfacht den Vertrieb regionaler Produkte.
Auch der Versand eigener Produkte wie Torten ist geplant. Dabei sind ruhige Fahrten und gleichmässige Kühlung wichtig. In der Diskussionsrunde wurden dafür Lösungen wie selbstkühlende Transportkisten und Sensoren vorgeschlagen, die Erschütterungen messen können.

Zweites Praxisbeispiel: Die Kastenschlepper
Auch das zweite Beispiel zeigt, wie vorhandene Transportkapazitäten besser genutzt werden können. «Die Kastenschlepper» sind ein grosses Getränkeunternehmen in der Region. Im Winter ist die Nachfrage nach Getränken geringer – es gibt freie Kapazitäten für andere Güter.
Auch im Sommer bleibt oft Platz für einzelne Transportboxen. Da das Unternehmen regelmässig die gleichen Touren fährt, eignet es sich gut als Logistikpartner. Der Geschäftsführer Marcus Fornoff betont, dass sie ihre Lieferflächen sinnvoll nutzen und gleichzeitig die Kundenzufriedenheit erhöhen möchten. Dies etwa durch flexible Zusatzlieferungen: zum Beispiel zwei Kästen Wasser, die spontan im Rahmen einer anderen Lieferung mitgegeben werden können. Zudem stellen sie ihre Lagerhallen als Microhub zur Verfügung, in denen ein bis zwei Paletten zwischengelagert werden können.

Projekt «Feld zu Tisch» – Regionaler Handel digital vernetzt
«Feld zu Tisch» ist der digitale Marktplatz für den regionalen Direkthandel des Lebensmittel Netzwerks Basel (LMN). Das LMN ist ein genossenschaftlicher Zusammenschluss von Gastronom:innen, Ladner:innen und Lebensmittelproduzent:innen aus der Region Basel. Ziel ist es, regionale Produkte direkt in der Region zu verkaufen – einfach, effizient und gemeinschaftlich. Über die Plattform können Kund:innen Produkte von verschiedenen Produzierenden gebündelt bestellen. Zusätzlich organisiert das Netzwerk regelmässig Veranstaltungen, die den Austausch und die Sichtbarkeit regionaler Angebote fördern.
Mehr lesen zum Projekt «Feld zu Tisch»
Die Idee zu «Feld zu Tisch» entstand 2018 und wurde 2019 mit einem offenen Trial & Error-Ansatz gestartet. Das Ziel war klar: Produzent:innen sollten direkt mit Gastronomiebetrieben und Läden vernetzt werden. In der Pilotphase von Mai 2022 bis November 2023 brachten Produzierende ihre Waren zu Sammelstellen. Von dort aus wurden sie mit einem Bus direkt zu den Abnehmer:innen geliefert. Ende 2023 wurde der Betrieb pausiert, um die Logistik neu zu strukturieren.

Eine wichtige Erkenntnis aus der bisherigen Umsetzung war, dass viele kleinstrukturierte Betriebe ihre Fahrten bewusst zur Kundenpflege nutzen und daher gern selbst liefern. In der neuen Organisation sollen grössere Lieferanten und Abnehmer:innen besser eingebunden werden, damit kleinere Betriebe sich anschliessen können. Das Projekt wird von der Fachhochschule Nordwestschweiz begleitet, die ihre Erfahrungen aus Lern- und Innovationsprozessen zur B2B-Lebensmittellogistik einbringt und das Projekt wissenschaftlich unterstützt.
Neben der digitalen Plattform bietet das Netzwerk auch kreative Formate wie ein Speed-Dating für Produzent:innen und Gastronom:innen an. So entstehen neue Kontakte und Ideen für die regionale Vermarktung. «Feld zu Tisch» ist Teil des PRE-Projekts «Genuss aus Stadt und Land» und zeigt, wie regionale Zusammenarbeit zukunftsfähig gestaltet werden kann.
Abschluss von der Studienreise

Workshop zum Abschluss in der Markthalle Basel
Zum Abschluss der zweitägigen Studienreise fand in der Markthalle Basel ein gemeinsamer Workshop statt. Michael von Kutzschenbach und Ananda Wyss leiteten die Runde und luden die Teilnehmenden dazu ein, sich aktiv einzubringen. An vier Tischen wurden verschiedene Impulsfragen rund um die B2B-Lebensmittellogistik diskutiert.
Fazit
Die Studienreise hat gezeigt: Digitale Plattformen wie «Garantiert geliefert» können durch die Nutzung freier Transportkapazitäten die Logistik im ländlichen Raum deutlich verbessern. Kooperationen bieten grosses Potenzial – für Produzent:innen, Abnehmer:innen und ganze Regionen. Und persönliche Treffen wie dieses sind wichtig, um voneinander zu lernen und gemeinsam Innovationen umzusetzen.
Viele Teilnehmende berichteten auf der Rückfahrt von spannenden Begegnungen, neuen Ideen und praktischen Erkenntnissen. Herausforderungen wurden greifbarer – und neue Lösungsansätze sichtbar. Das Interesse an weiteren Treffen und einem Austausch über laufende Projekte ist gross.
Ein herzlicher Dank geht an alle Teilnehmenden für ihr Engagement, ihre Offenheit und den wertvollen Austausch!